Traditionen können trösten, denn sie schenken einem die Gewissheit, dass liebgewonnene Sitten und Rituale auch die schlimmsten Zeiten überdauern. Als zeitlose Botschafter der Hoffnung sind griechische Weihnachtsbräuche besonders herzerwärmend.
Das Christkind in Griechenland
Die Sonne lässt das märchenblaue Meer erstrahlen, aber sie wärmt nicht mehr. An den Hauswänden stapeln sich die Brennholzscheite, und die Fischer haben ihre Boote längst aus dem Hafenbecken geholt. Nun stehen die Kutter mit Planen bedeckt in den Vorgärten und bieten den Dorfkatzen einen Winterunterschlupf. Den haben sie nötig, denn es kann bitterkalt werden in Griechenland, auch weiße Weihnachten sind keine Seltenheit.
Kein Wunder also, dass sich ein schwerer Geruch verbrannten Olivenholzes über das ganze Land legt. Doch die Feuer, die ab dem 23. Dezember in Hainen und Kaminen schwelen, dienen nicht bloß der eigenen Behaglichkeit. Sie werden entzündet, um dem Christkind einen warmem Empfang auf Erden zu bereiten.
Dazu wurde extra das beste und größte Stück Holz, Christoxilo (Weihnachtsscheit) genannt, das ganze Jahr über aufgehoben, um dem frierenden Jesus in der Nacht seiner Geburt besonders einheizen zu können. So jedenfalls erklärt es die griechisch-orthodoxe Tradition. Dabei war der uralte Brauch der Dezemberfeuer ursprünglich zur Vertreibung böser Geister gedacht.
Traditionen und Bräuche
In der religiösen Umdeutung dieser heidnischen Sitte wurden die Geister kurzerhand zu listigen Weihnachtskobolden, den Kalkanzari. Angelockt von den Gerüchen der Festtagsspeisen verlassen sie die Unterwelt, um den Menschen zwölf Tage lang Streiche zu spielen. Sie lassen die Milch sauer werden, futtern die Weihnachtskekse auf oder verwüsten das Haus. Verhindern lässt sich das nur, indem man jede Nacht ein prächtiges Weihnachtsfeuer entfacht und den frechen Kerlen so den Weg durch den Kamin versperrt. Christkind gewärmt, Kalkanzari vertrieben und auch das Karavaki, ein kleines Boot, ist schon aufgestellt.
Schiffe galten in dem Land, das so stark durch Meer und Küsten geprägt wird, schon zu byzantinischen Zeiten als wichtiges Weihnachtssymbol. Bis heute dekorieren griechische Familien mit kleinen Holzbooten ihre Häuser, und auch die großen Plätze der Städte werden mit funkelnden Lichterschiffen geschmückt, schließlich werden die Geschenke in Griechenland ja nicht auf einem Rentierschlitten geliefert, sondern vom Heiligen Vasilios mit seinem vollbeladenen Boot gebracht. Vor der Bescherung allerdings steht auch in Griechenland der Gesang.
Am Morgen des 24. Dezember ziehen die Kinder mit Glöckchen, Trommeln und Triangeln durch die Straßen und stimmen Kalanda an, mit denen sie die Geburt Christi verkünden und die Häuser segnen. Als Dankeschön erhalten sie ein wenig Geld, Obst und traditionelle Weihnachtsleckereien. Möglich, dass im Paradies ein Engel wartet, der einem himmlische Plätzchen backt, seine griechischen Stellvertreter auf Erden erschaffen in ihren Öfen derweil Gebäck mit Suchtpotenzial, wie das sündhaft leckere Honiggebäck Melomakarona oder die über und über mit Puderzucker bestäubten Buttermandelplätzchen Kourabiedes, die sich wie kleine Schneebälle auf den Weihnachtstellern aller guten Gastgeber zu Pyramiden türmen. Auf Wiedersehen Diät, bis zum nächsten Jahr!
Fastenbrechen
Wer 40 Tage gefastet hat, wie es die orthodoxe Kirche vorschreibt, um Körper und Geist zu reinigen, darf sich auf die Exzesse beim Fastenbrechen am 25. Dezember zu recht freuen. Zu gefülltem Truthahn oder deftigem Spanferkel kommen sämtliche Mitglieder der griechischen Großfamilien aus allen Teilen des Landes zusammen. Genuss und Kultur verbinden sich dann in einer gelungenen, wenn auch Cholesterin steigernden Mahlzeit, die nicht mit einem religiösen Regelwerk einhergeht, sondern mit Gemeinschaft und viel Lebensfreude.
Bis zum dicken Ende der Gelage an Silvester schnallen die Griechen den Gürtel einfach ein bisschen weiter. So hat zum Jahreswechsel auch noch der Neujahrskuchen Vasilopita Platz. Mit dem soll sich das Glück auf die Sprünge helfen lassen, denn in den Kuchen wird eine Münze eingebacken. Wer die in seinem Stück findet, ist im kommenden Jahr mit besonders viel Erfolg und Gesundheit gesegnet.
Legende und ein Funke Wahrheit
Die Tradition der Vasilopita geht auf eine alte Legende zurück. Darin heißt es, der römische Statthalter von Cäsarea habe eine so hohe Steuer erhoben, dass die meisten Einwohner sie nicht bezahlen konnten und fürchten mussten, ins Schuldgefängnis gesperrt zu werden. Um diese Strafe abwenden zu können, bat Bischof Vasilios die Reichen des Landes, den Anteil der Armen an der Steuersumme zu übernehmen, und tatsächlich kam das benötigte Geld zusammen.
Von so viel Nächstenliebe und Gemeinschaftssinn beschämt verzichtete der Statthalter letztlich doch auf die Steuer. Weil aber nicht mehr eindeutig zugeordnet werden konnte, welche Beträge von welchem Spender kamen, ließ Bischof Vasilios viele Kuchen backen, in denen die gespendeten Münzen versteckt wurden, um sie anschließend unter notleidenden Familien zu verteilen. Auf diese Weise konnte er den Armen Almosen geben, ohne sie in Verlegenheit zu bringen.
Noch heute ist das schönste Stück der Vasilopita für Notleidende reserviert, für den Flüchtling oder den Fremden. Bei der Verteilung wird jedoch streng auf die Einhaltung einer festgelegten Reihenfolge geachtet. Die ersten Portionen gehen immer an Jesus Christus, die Jungfrau Maria und den Heiligen Vasilios. Dann erst erhalten Familienmitglieder und Freunde ihre Stücke, beginnend mit dem Ältesten.
Chancen und das große Glück
Ärgerlich, wenn das Stück mit der Münze auch in diesem Jahr wieder an einen der Heiligen gehen sollte, aber die nächste Chance, Glück und Segen zu ergattern, lässt nicht lange auf sich warten. Um sie zu ergreifen, ist am 6. Januar nur ein beherzter Sprung in eiskaltes Wasser nötig. An diesem Tag wird das Hochfest der Epiphanie begangen, der Erscheinung des Herrn. Römisch-katholische Christen feiern dann das Dreikönigsfest, in der Orthodoxie gedenkt man jedoch der Taufe Christi. Zur größten Feier am Hafen von Piräus finden sich hochrangige Würdenträger, Politiker und Militärs ein. Eindrucksvolle Prozessionen von Priestern, Prominenten und Gläubigen machen sich jedoch landesweit auf den Weg ans Meer oder an die Ufer von Seen und Flüssen.
Dort angekommen wirft der Priester am Ende einer Weihezeremonie ein Kreuz ins Wasser. Mit dieser symbolischen Wiederholung von Jesus Taufe, segnet und reinigt er Gewässer und Erde. Um das Kreuz nun wieder zu bergen, stürzen sich winterharte Griechen in die kalten Fluten, meist sind es Männer, in einigen Regionen dürfen mittlerweile aber auch Frauen unter Beweis stellen, wie abgehärtet sie sind. Wer das Kreuz zurück an Land bringt, dem sei Glück und Gesundheit beschieden, versprechen die Geistlichen, und der Hausarzt nickt dazu, denn so ein Bad in der Kälte bringt schließlich den Kreislauf in Schwung, verbessert die Durchblutung, stärkt das Immunsystem und schützt damit vor Infekten.
Wie einfach die Sache mit dem Glück doch sein kann. Es genügen Rituale, die einen Gemeinschaft fühlen lassen, gutes Essen, gute Legenden, der Klang des Meeres und ein Kaminfeuer, auch wenn es für den Rest des Winters nur noch der eigenen Erwärmung dient, weil die Weihnachtskobolde längst wieder in die Unterwelt zurückgekehrt sind.
Fotos von Thomas Schneider, bildbaendiger.de
Text von Nicole Quint
Nach Deutschland und Niederlande wäre jetzt einmal eine Reise nach Griechenland sehr schön und für den September ist der Zeitraum auch schon vorgeplant.